„Letzte Stunde“ für die Minischule in Engelbach (?)

In der Bevölkerung wird eine „zu bürokratische“ Entscheidung bedauert

eingestellt am 29.07.2015

Text und Fotos von Richard Kempe

Mit dem Ende des Schuljahres am Freitag, dem 24. Juli 2015 endet aller Voraussicht nach auch die Existenz der Grundschule Engelbach.

Weil die voraussichtliche Schülerzahl im kommenden Schuljahr mit elf angemeldeten Kindern das vorgeschriebene Mindestmaß von dreizehn nicht erreicht, müssen die Kinder künftig den beschwerlichen Weg in die Grundschule Biedenkopf gehen. Fassungslos und teils auch wütend nimmt die Schulgemeinde die –wie man meint – zu bürokratische Entscheidung der Behörden zur Kenntnis und hegt lediglich die kleine Hoffnung, dass Schuldezernent Marian Zachow mit seiner angekündigten Intervention beim Kultusminister persönlich noch Erfolg haben könnte. Nicht zuletzt auch, weil ab 2016 die prognostizierten Schülerzahlen wieder deutlich über dem Limit liegen.

In der Praxis bedeutet die Neuregelung für die Kleinsten früh aufstehen, denn der Schulbus fährt nach derzeitigem Plan bereits um 6:48 Uhr los und ist um 7:03 Uhr am Schulzentrum: das bedeutet lange Wartezeit bis zum Unterrichtsbeginn, schlecht vor allem im Winter. Gravierender noch wird es in 2016 werden, wenn nämlich fast das ganze Jahr über die B 253 in Richtung Biedenkopf gesperrt sein wird und der Schulbus dann einen großen Umweg fahren muss. Makulatur ist in diesem Zusammenhang offensichtlich die immer wieder von Politikern beschworene Erhaltung der kleinen Schulstandorte.

Die Engelbacher Schule hat eine lange Geschichte. In der „Neuzeit“ beginnt sie mit dem Bau der Schule am Minnacker im Jahre 1959 für die beiden Dörfer Dexbach und Engelbach als Ersatz für das alte Gebäude in der Dorfmitte. Lehrer Gerhard Musket war von da an 33 Jahre tätig. Seit 1966 allerdings nur noch für die Klassen 5 bis 8, von da an ging die Oberstufe in die Stadtschule Biedenkopf. Das war vernünftig und logisch, allerdings wurde seither immer wieder hervorgehoben, dass man jüngeren Jahrgängen den weiten Schulweg nicht zumuten wolle und dürfe.

Nach Muskets Pensionierung und Wegzug übernahm Elke Kamp, später Friebertshäuser die Schulleitung, die sie bis zu ihrem plötzlichen Tod im Jahre 2000 innehatte. Vorübergehend wurden die Kinder in Biedenkopf unterrichtet, ehe Anfang 2001 in einer Versammlung der Bürgerinnen und Bürger aus Dexbach und Engelbach mit dem Landkreis als Schulträger beschlossen wurde, dem Wunsch der Bevölkerung nach Fortführung der Schule Rechnung zu tragen. Der war aus einer vom damaligen Pfarrer Martin Schindel initiierten Unterschriftenaktion deutlich geworden.

Ab dem Schuljahr 2001/2002 wurde die Engelbacher Schule als Außenstelle der Grundschule Biedenkopf geführt, und zwar die Schulklassen 1 bis 4. Ehe der Betrieb in Engelbach wieder aufgenommen werden konnte, hat der Landkreis als Schulträger eine aufwändige Grundsanierung der Gebäude vorgenommen. Die Versorgung mit Lehrkräften fand aus dem Kollegium der Grundschule statt. Meike von Schenck zu Schweinsberg, Frank Rompf und Pfarrerin Heike Kircher gestalten zuletzt den Unterricht und werden vom neuen Schuljahr an wieder in Biedenkopf ihren Beruf ausüben.

Mit besonderen „Events“ hat die Grundschule Engelbach in der Vergangenheit regelmäßig auf sich aufmerksam gemacht. Sei es durch ein großes Schulfest in 2005 zum 50-jährigen Bestehen, durch mehrere Musicals zu den verschiedensten Anlässen wie der 777-Jahrfeier in Engelbach oder durch eine viel beachtete „Lesenacht“, die unter großer Beteiligung der gesamten Bevölkerung veranstaltet wurde.

Die Bürgerinnen und Bürger finden es deswegen kaum als Trost, wenn heute der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow ankündigt, man werde angesichts der positiven Schülerzahlen der Zukunft die Schule vorläufig nicht entwidmen. Dies wird eher als hilfloser „Hinhalteversuch“ gewertet.

 Eine kleine Foto-Collage, zum Vergrößern bitte auf die Fotos klicken (Fotos von Richard Kempe):