© Ortsbeirat Engelbach

Sagen um Engelbach

Der Elsehof Der Schultheiß von Engelbach war reich an Vieh, Silber und Gold. Sein größter Schatz jedoch war sein hübsches Töchterlein, die schwarzbraune Else. Viele Freier von nah und fern bewarben sich um ihre Hand. Keiner unter ihnen war dem Vater als Schwiegersohn recht. Vielleicht wartete er auf einen Grafen, der hoch zu Roß kommen und Schön Else als Gemahlin auf sein Ritterschloß führen sollte. Aber das Töchterlein hatte ihr Herz längst dem jungen Schäferknecht geschenkt und begehrte nichts sehnlicher, als das armselige Hüttchen mit dem braven Burschen zu teilen. Das wurde dem Alten hinterbracht, der in einen furchtbaren Zorn geriet und aus-rief: „Warte, du Lumpenkerl, ich will dich lehren, deine Hand nach des Schultheißen einziger Tochter auszustrecken!" Alsobald befahl er seine Knechte zusammen, die den Schäferknecht fangen und in ein Faß stecken mußten, das sie von einem Berg aus in den Fluß hinabrollen ließen. Doch der gewandte Jüngling entkam glücklich seinem engen Gefängnis, schwamm ans Ufer und kehrte zu seiner Herde zurück. Ruhig und als ob nichts Besonderes geschehen wäre, schritt er am Abend ihr voraus dem Dorfe zu. Darob verwunderten sich alle Leute und am allermeisten der Schultheiß, der den Totgeglaubten vor sich und seine Sippe rufen ließ und ihn fragte, durch welches Wunder er den Wasserfluten entkommen sei. „Als ich", so erzählte der Schäferknecht, „mit dem Fasse in den Fluß fiel, entführten mich die Nixen sogleich auf den tiefsten Grund, woseibst sie ihr prächtiges kristallenes Zauberschloß haben, beschenkten mich überreich mit kostbaren Kleinodien und Edelsteinen und führten mich dann wieder hinauf ans Licht der Sonne." Bei diesen Worten schwoll des Schultheißen Herz in unbezähmbarer Gier nach den Schätzen des Wassers. Er ließ sich ebenfalls im Faß verbergen und in den Fluß hinabwerfen. Die Wellen schlugen über ihm zusammen mit lautem Plumps. Seine Verwandten und Freunde aber glaubten, der mächtige Vetter habe ihnen zugerufen: „Kummt‘s, kummt‘s!" Da besannen sie sich nicht lange, stürzten ihm nach, und die Wogen verschlangen sie auch und gaben keinen mehr zurück. Der Schäferknecht aber heiratete seine Else und baute für sie beide ein schönes, neues Haus, den „Elsehof", der heute noch diesen Namen trägt. Der Hexenmüller Vor vielen Jahren wohnte in der Engelbacher Mühle ein wirklich ehrlicher Müller, der immer viel zu mahlen hatte. Das erregte den Neid dreier Nachbarn, denen es nicht so gut ging. Sie kamen überein, dem Alten einen rechten Schabernack zu spielen und ihn gemeinsam zu bestehlen. Verkleidet und mit geschwärzten Gesichtern drangen sie des Nachts in seine Mühle ein, überfielen ihn und wollten ihn binden. Da kamen sie aber an den Unrechten, denn der alte Müller konnte mehr als Brot essen und war ein Hexenmeister. Flugs sprach er seinen Zauberspruch — da standen die schlimmen Gesellen und konnten kein Glied mehr rühren, so lange es dem Müller gefiel. Nun mußten sie sich an den Tisch setzen, und die Müllerin trug auf. Lauter gute Sachen, daß einem das Herz im Leibe lachte: Brot, Schinken, Wurst, Butter, Käse und dazu noch eine Flasche mit köstlichem rotem Wein. Als sie nun zugreifen wollten, konnten sie ihre Arme nicht heben und mußten mit ansehen, wie der Müller und sein Weib sich an der leckeren Tafel gütlich taten. Dann meinte der Hausherr: „Bei mir ist‘s Brauch, daß man sich wäscht, bevor man zu Tische geht." Stand auf, nahm einen nassen Lappen und wischte den Ruß aus den Gesichtern seiner Gäste. Da sie siclfnun erkannt sahen, schämten sie sich sehr und baten um Gnade. Der Alte aber rief mit drohender Stimme: „Jetzt schert euch heim, und laßt euch nicht wieder bei mir sehen, sonst kostet‘s das Leben!" Darauf sprach er sie los. Fortan taten sie ihm alles Gute. Der Schatz im Brunnen Nicht weit von Buchenau stand das hohe Schloß Holende. Der letzte Ritter, der es bewohnte, war ein arger Leuteschinder und Störenfried, der keinen seiner Burgnachbarn in Ruhe lassen konnte. Drum taten sich die Geschädigten zusammen und belagerten den alten Raubfuchs in seinem starken Bau. Nach langem, heißem Streit vermochte sich die Feste nicht länger mehr zu halten. Da raffte der geizige Holenderitter all sein Geld zusammen und stürzte sich mit dem Schatz in den Brunnen am Fuße des Burgbergs. Sonntagskinder sahen ihn noch vor hundert Jahren schwergepanzert in die Höhe steigen, wie er mit glühenden Augen seinen Reichtum bewachte. Einigen Bauern, die damals den Schatz heben wollten, gelang es nicht; denn immer wieder sank er in die Tiefe zurück. Einmal gingen zwei Mäher in die Holendewiesen. Dort sahen sie ein Ritterfräulein in kostbarem Gewande spazieren gehen. Sie versteckten sich hinter einem Busch und beobachteten die lustige Erscheinung längere Zeit. Das Fräulein hatte ein Körbchen im Arm, aus dem es hin und wieder etwas auf die Erde zu streuen schien. Als es weggegangen war, eilten die beiden herzu und fanden im Grase rostige Schlüssel und Weizenkörner. Da sagte der eine: „Was soll ich mit dem Plunder? Wenn das Ritterfräulein weiter nichts zu verschenken hat, dann mag es bleiben, wo es ist." Der andere nahm die Schlüssel und Körner sorgifiltig mit nach Hause. Wie erfreut war er, als sie sich am anderen Morgen in eitel Gold verwandelt hatten! Er wurde dadurch zum reichsten Manne des Dorfes. Viele wollten nochmals ebenfalls ihr Glück auf den Holendewiesen versuchen; doch das Ritterfräulein war und blieb verschwunden. Henn und Eis Wo die beiden eigentlich gelebt haben, das ist heute nicht mehr genau festzustellen; denn ihre Streiche sind uns aus einem Dutzend Hinterländer Dörfer berichtet worden. Wenn der Mann dumm ist und die Frau gescheit, dann mögen sie vielleicht trotzdem gut in ihrem Haushalt fertig werden. Ist‘s umgekehrt, geht‘s auch noch einigermaßen. Aber schlimm wird‘s, wenn alle beide dumm auf die Welt gekommen sind und nichts dazugelernt haben, was bei dem Ehepaare Henn und Els der Fall gewesen ist. Das werdet ihr ohne weiteres zugeben müssen, wenn ihr folgende drei Stücklein aus ihrem Leben hört. 1. Krieg war im Land, und die Hinterländer lebten in beständiger Angst und Sorge vor den Feinden, die in ihrer Grausamkeit kein Menschenleben verschonten und außerdem alles raubten, was nicht niet- und nagelfest war. Eines Tages kam ein Flüchtling angelaufen und schrie mit gehender Stimme durch alle Gassen: „Ihr Leute, rettet euch, rettet euch, die Soldaten kommen!" Da verschlossen die Einwohner ihre Häuser, nahmen mit, was sie tragen konnten, und machten sich aus dem Staube. Henn und Eis hätten ihr Häuschen auch gern zugeschlossen; aber sie hatten den Schlüssel verloren: Was tun? Sie überlegten nicht lange, sondern hoben die Haustüre aus den Angeln und rannten spornstreichs in den Wald. Nachdem sie dort auf einen dicken Eichbaum geklettert waren, zogen sie die Tür an einem Strick zu sich herauf. So, nun sollte es den Feinden einmal einfallen, eine Haustüre aufzubrechen, die gar nicht mehr da war! 2. Henn und Els hatten ein fettes Schwein geschlachtet. Da der Winter herbeigekommen war, machte sich der Henn auf in die Wetterau zum Dreschen. Zuvor schärfte er seiner Frau ein, ja recht sparsam mit dem Fleische hauszuhalten, damit er bei seiner Heimkehr auch noch etwas Gutes zu essen habe. „Besonders den Schinken", fuhr er fort, „hebst du mir auf, bis der lange Lenz kommt", womit er das nächste Frühjahr meinte. Darauf nahm er den Quer-sack auf den Buckel, den Stecken in die Hand und begab sich auf die Wanderschaft. Es dauert nicht lange, da kam ein Zigeuner von ansehnlicher Leibesgröße ins Dorf, um daselbst einen lahmen Gaul zu erhandeln, Kessel und Regenschirme zu flicken oder, wenn die Gelegenheit günstig war, ein junges Huhn, vielleicht auch eine alte Geige, zu stehlen. Als die Eis ihn erschaute, war sie erfreut und fragte ihn: „Seid Ihr vielleicht der lange Lenz?" „Nein", antwortete das braune Galgengesicht, „der bin ich nicht, aber ich bin gut mit ihm bekannt. Er wird wohl in der nächsten Zeit hier vorbeikommen." Ging weiter und schickte am anderen Tage seinen Bruder, der noch einen Kopf größer war wie er, zur dummen Eis hinaus. „Seid Ihr der lange Lenz?" wurde auch dieser von ihr gefragt. „Ei natürlich", entgegnete der Tagedieb „wer sollte ich denn sonst sein?" — „Da bin ich aber wirklich froh", rief das dumme Weib, „hier habt Ihr Euren Schinken, ich habe ihn gut aufgehoben und lange genug auf Euch gewartet!" Der also Beschenkte bedankte sich vielmals und ging seiner Wege, ohne sich noch einmal umzusehen. 3. Als der Henn im Frühjahr heimkehrte, war von der geschlachteten Sau kein Schwänzchen mehr übrig. Die Eis hatte alles aufgezehrt; denn sie aß das Fleisch gar zu gern. — Und als sie ihm erzählte, wem sie den Schinken gegeben habe, griff Fienn zum Stock und verprügelte sein liebes Weib nach Strich und Faden. Eis schrie jämmerlich und versprach, es nicht wieder zu tun. Aber damit kam kein Pfündchen Fleisch ins Haus. Bald wurden sie beide des trockenen Brotes mit Birnmus überdrüssig. Deshalb schlug die EIs vor, sie wollten ihre Ziege schlachten. Damit war ihr Mann aber keineswegs einverstanden. Kurz darauf ging er in den Wald, üm Weiden zu schneiden. Die Eis schlich ihm nach, erstieg einen Baum und rief mit verstellter Stimme: „Der Weidenholz schneid‘t, der stirbt bald; wer die Geiß schlacht‘, lebt lang!" Kaum war der Henn mit seinen Weiden aus dem Wald zurück, da nahm er ein Messer und schnitt der Ziege den Hals ab. Nun hatten sie wieder eine Zeitlang Fleisch zu essen. Der Wegäckershund Wenn einer noch spät am Tage von Engelbach nach Dexbach gehen will, dann pflegt man ihn zu warnen: „Gib acht, daß dich der Wegäckershund nicht kriegt!" Das soll der Sage nach ein großes, schwarzes Tier sein mit schrecklichen spitzen Zähnen im Rachen und giühenden Feueraugen im Kopf. So manchem ahnungslosen Wanderer sei er schon um die Mitternachtsstunde zur Adventszeit auf den Rücken gesprungen und habe sich von ihm tragen lassen. Sei der Uberfallene ruhig und setze sich nicht zur Wehr, dann ließe das Ungeheuer bald von seinem Opfer ab; aber wenn er nur den geringsten Versuch mache, die unheimliche Last abzuschütteln, dann könne es gar leicht um sein Leben geschehen sein. Vor vielen Jahren weiite einmal ein Bursche aus Engeibach als Gast in einer Dexbacher Spinnstube. Die dortigen jungen Leute sahen aus verschiedenen Gründen seinen Besuch nicht gern und beschlossen, ihm einen Schabernack zu spielen, damit er das Wiederkommen vergesse. Man unterhielt sich mit allerhand Gespenstergeschichten und brachte endlich auch die Rede auf den Wegäckershund. Während etliche über solche Erzählungen lachten, beteuerte ein anderer hoch und heilig, durch seinen Großvater selbst — und der habe noch nie im Leben gelogen — von vielen Leuten gehört zu haben, die mit dem Höllenhund unliebsame Bekanntschaft gemacht hätten. Dabei warf man dem Dexbacher manchen höhnischen Blick zu, als dieser sich kurz vor zwölf Uhr erhob und verabschiedete. Wie er auf dem Heimwege dahin gelangt, wo die Wegäcker beginnen, wächst zu seinem Entsetzen eine dunkle Gestalt aus dem Graben empor und schwingt sich mit leichtem Satz auf seinen Rücken. Alle Haare auf dem Kopfe sträuben sich ihm vor Angst. Er läuft, so schnell er kann, schweißgebadet und mit klopfendem Herzen nach Dexbach hin, und als er an die ersten Häuser des Dorfes kommt, löst sich der Huckepack von seinem Nacken und verschwindet lautlos in den Wiesen. Totenbleich betrat er die Schwelle seines väterlichen Hauses und glaubte nicht anders, als daß ihn der Wegäckershund geritten habe. Die Dexbacher Burschen aber hätten‘s ihm sagen können, wer das Gespenst gewesen war.

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Sagen um Engelbach

Der Elsehof Der Schultheiß von Engelbach war reich an Vieh, Silber und Gold. Sein größter Schatz jedoch war sein hübsches Töchterlein, die schwarzbraune Else. Viele Freier von nah und fern bewarben sich um ihre Hand. Keiner unter ihnen war dem Vater als Schwiegersohn recht. Vielleicht wartete er auf einen Grafen, der hoch zu Roß kommen und Schön Else als Gemahlin auf sein Ritterschloß führen sollte. Aber das Töchterlein hatte ihr Herz längst dem jungen Schäferknecht geschenkt und begehrte nichts sehnlicher, als das armselige Hüttchen mit dem braven Burschen zu teilen. Das wurde dem Alten hinterbracht, der in einen furchtbaren Zorn geriet und aus-rief: „Warte, du Lumpenkerl, ich will dich lehren, deine Hand nach des Schultheißen einziger Tochter auszustrecken!" Alsobald befahl er seine Knechte zusammen, die den Schäferknecht fangen und in ein Faß stecken mußten, das sie von einem Berg aus in den Fluß hinabrollen ließen. Doch der gewandte Jüngling entkam glücklich seinem engen Gefängnis, schwamm ans Ufer und kehrte zu seiner Herde zurück. Ruhig und als ob nichts Besonderes geschehen wäre, schritt er am Abend ihr voraus dem Dorfe zu. Darob verwunderten sich alle Leute und am allermeisten der Schultheiß, der den Totgeglaubten vor sich und seine Sippe rufen ließ und ihn fragte, durch welches Wunder er den Wasserfluten entkommen sei. „Als ich", so erzählte der Schäferknecht, „mit dem Fasse in den Fluß fiel, entführten mich die Nixen sogleich auf den tiefsten Grund, woseibst sie ihr prächtiges kristallenes Zauberschloß haben, beschenkten mich überreich mit kostbaren Kleinodien und Edelsteinen und führten mich dann wieder hinauf ans Licht der Sonne." Bei diesen Worten schwoll des Schultheißen Herz in unbezähmbarer Gier nach den Schätzen des Wassers. Er ließ sich ebenfalls im Faß verbergen und in den Fluß hinabwerfen. Die Wellen schlugen über ihm zusammen mit lautem Plumps. Seine Verwandten und Freunde aber glaubten, der mächtige Vetter habe ihnen zugerufen: „Kummt‘s, kummt‘s!" Da besannen sie sich nicht lange, stürzten ihm nach, und die Wogen verschlangen sie auch und gaben keinen mehr zurück. Der Schäferknecht aber heiratete seine Else und baute für sie beide ein schönes, neues Haus, den „Elsehof", der heute noch diesen Namen trägt. Der Hexenmüller Vor vielen Jahren wohnte in der Engelbacher Mühle ein wirklich ehrlicher Müller, der immer viel zu mahlen hatte. Das erregte den Neid dreier Nachbarn, denen es nicht so gut ging. Sie kamen überein, dem Alten einen rechten Schabernack zu spielen und ihn gemeinsam zu bestehlen. Verkleidet und mit geschwärzten Gesichtern drangen sie des Nachts in seine Mühle ein, überfielen ihn und wollten ihn binden. Da kamen sie aber an den Unrechten, denn der alte Müller konnte mehr als Brot essen und war ein Hexenmeister. Flugs sprach er seinen Zauberspruch — da standen die schlimmen Gesellen und konnten kein Glied mehr rühren, so lange es dem Müller gefiel. Nun mußten sie sich an den Tisch setzen, und die Müllerin trug auf. Lauter gute Sachen, daß einem das Herz im Leibe lachte: Brot, Schinken, Wurst, Butter, Käse und dazu noch eine Flasche mit köstlichem rotem Wein. Als sie nun zugreifen wollten, konnten sie ihre Arme nicht heben und mußten mit ansehen, wie der Müller und sein Weib sich an der leckeren Tafel gütlich taten. Dann meinte der Hausherr: „Bei mir ist‘s Brauch, daß man sich wäscht, bevor man zu Tische geht." Stand auf, nahm einen nassen Lappen und wischte den Ruß aus den Gesichtern seiner Gäste. Da sie siclfnun erkannt sahen, schämten sie sich sehr und baten um Gnade. Der Alte aber rief mit drohender Stimme: „Jetzt schert euch heim, und laßt euch nicht wieder bei mir sehen, sonst kostet‘s das Leben!" Darauf sprach er sie los. Fortan taten sie ihm alles Gute. Der Schatz im Brunnen Nicht weit von Buchenau stand das hohe Schloß Holende. Der letzte Ritter, der es bewohnte, war ein arger Leuteschinder und Störenfried, der keinen seiner Burgnachbarn in Ruhe lassen konnte. Drum taten sich die Geschädigten zusammen und belagerten den alten Raubfuchs in seinem starken Bau. Nach langem, heißem Streit vermochte sich die Feste nicht länger mehr zu halten. Da raffte der geizige Holenderitter all sein Geld zusammen und stürzte sich mit dem Schatz in den Brunnen am Fuße des Burgbergs. Sonntagskinder sahen ihn noch vor hundert Jahren schwergepanzert in die Höhe steigen, wie er mit glühenden Augen seinen Reichtum bewachte. Einigen Bauern, die damals den Schatz heben wollten, gelang es nicht; denn immer wieder sank er in die Tiefe zurück. Einmal gingen zwei Mäher in die Holendewiesen. Dort sahen sie ein Ritterfräulein in kostbarem Gewande spazieren gehen. Sie versteckten sich hinter einem Busch und beobachteten die lustige Erscheinung längere Zeit. Das Fräulein hatte ein Körbchen im Arm, aus dem es hin und wieder etwas auf die Erde zu streuen schien. Als es weggegangen war, eilten die beiden herzu und fanden im Grase rostige Schlüssel und Weizenkörner. Da sagte der eine: „Was soll ich mit dem Plunder? Wenn das Ritterfräulein weiter nichts zu verschenken hat, dann mag es bleiben, wo es ist." Der andere nahm die Schlüssel und Körner sorgifiltig mit nach Hause. Wie erfreut war er, als sie sich am anderen Morgen in eitel Gold verwandelt hatten! Er wurde dadurch zum reichsten Manne des Dorfes. Viele wollten nochmals ebenfalls ihr Glück auf den Holendewiesen versuchen; doch das Ritterfräulein war und blieb verschwunden. Henn und Eis Wo die beiden eigentlich gelebt haben, das ist heute nicht mehr genau festzustellen; denn ihre Streiche sind uns aus einem Dutzend Hinterländer Dörfer berichtet worden. Wenn der Mann dumm ist und die Frau gescheit, dann mögen sie vielleicht trotzdem gut in ihrem Haushalt fertig werden. Ist‘s umgekehrt, geht‘s auch noch einigermaßen. Aber schlimm wird‘s, wenn alle beide dumm auf die Welt gekommen sind und nichts dazugelernt haben, was bei dem Ehepaare Henn und Els der Fall gewesen ist. Das werdet ihr ohne weiteres zugeben müssen, wenn ihr folgende drei Stücklein aus ihrem Leben hört. 1. Krieg war im Land, und die Hinterländer lebten in beständiger Angst und Sorge vor den Feinden, die in ihrer Grausamkeit kein Menschenleben verschonten und außerdem alles raubten, was nicht niet- und nagelfest war. Eines Tages kam ein Flüchtling angelaufen und schrie mit gehender Stimme durch alle Gassen: „Ihr Leute, rettet euch, rettet euch, die Soldaten kommen!" Da verschlossen die Einwohner ihre Häuser, nahmen mit, was sie tragen konnten, und machten sich aus dem Staube. Henn und Eis hätten ihr Häuschen auch gern zugeschlossen; aber sie hatten den Schlüssel verloren: Was tun? Sie überlegten nicht lange, sondern hoben die Haustüre aus den Angeln und rannten spornstreichs in den Wald. Nachdem sie dort auf einen dicken Eichbaum geklettert waren, zogen sie die Tür an einem Strick zu sich herauf. So, nun sollte es den Feinden einmal einfallen, eine Haustüre aufzubrechen, die gar nicht mehr da war! 2. Henn und Els hatten ein fettes Schwein geschlachtet. Da der Winter herbeigekommen war, machte sich der Henn auf in die Wetterau zum Dreschen. Zuvor schärfte er seiner Frau ein, ja recht sparsam mit dem Fleische hauszuhalten, damit er bei seiner Heimkehr auch noch etwas Gutes zu essen habe. „Besonders den Schinken", fuhr er fort, „hebst du mir auf, bis der lange Lenz kommt", womit er das nächste Frühjahr meinte. Darauf nahm er den Quer-sack auf den Buckel, den Stecken in die Hand und begab sich auf die Wanderschaft. Es dauert nicht lange, da kam ein Zigeuner von ansehnlicher Leibesgröße ins Dorf, um daselbst einen lahmen Gaul zu erhandeln, Kessel und Regenschirme zu flicken oder, wenn die Gelegenheit günstig war, ein junges Huhn, vielleicht auch eine alte Geige, zu stehlen. Als die Eis ihn erschaute, war sie erfreut und fragte ihn: „Seid Ihr vielleicht der lange Lenz?" „Nein", antwortete das braune Galgengesicht, „der bin ich nicht, aber ich bin gut mit ihm bekannt. Er wird wohl in der nächsten Zeit hier vorbeikommen." Ging weiter und schickte am anderen Tage seinen Bruder, der noch einen Kopf größer war wie er, zur dummen Eis hinaus. „Seid Ihr der lange Lenz?" wurde auch dieser von ihr gefragt. „Ei natürlich", entgegnete der Tagedieb „wer sollte ich denn sonst sein?" — „Da bin ich aber wirklich froh", rief das dumme Weib, „hier habt Ihr Euren Schinken, ich habe ihn gut aufgehoben und lange genug auf Euch gewartet!" Der also Beschenkte bedankte sich vielmals und ging seiner Wege, ohne sich noch einmal umzusehen. 3. Als der Henn im Frühjahr heimkehrte, war von der geschlachteten Sau kein Schwänzchen mehr übrig. Die Eis hatte alles aufgezehrt; denn sie aß das Fleisch gar zu gern. — Und als sie ihm erzählte, wem sie den Schinken gegeben habe, griff Fienn zum Stock und verprügelte sein liebes Weib nach Strich und Faden. Eis schrie jämmerlich und versprach, es nicht wieder zu tun. Aber damit kam kein Pfündchen Fleisch ins Haus. Bald wurden sie beide des trockenen Brotes mit Birnmus überdrüssig. Deshalb schlug die EIs vor, sie wollten ihre Ziege schlachten. Damit war ihr Mann aber keineswegs einverstanden. Kurz darauf ging er in den Wald, üm Weiden zu schneiden. Die Eis schlich ihm nach, erstieg einen Baum und rief mit verstellter Stimme: „Der Weidenholz schneid‘t, der stirbt bald; wer die Geiß schlacht‘, lebt lang!" Kaum war der Henn mit seinen Weiden aus dem Wald zurück, da nahm er ein Messer und schnitt der Ziege den Hals ab. Nun hatten sie wieder eine Zeitlang Fleisch zu essen. Der Wegäckershund Wenn einer noch spät am Tage von Engelbach nach Dexbach gehen will, dann pflegt man ihn zu warnen: „Gib acht, daß dich der Wegäckershund nicht kriegt!" Das soll der Sage nach ein großes, schwarzes Tier sein mit schrecklichen spitzen Zähnen im Rachen und giühenden Feueraugen im Kopf. So manchem ahnungslosen Wanderer sei er schon um die Mitternachtsstunde zur Adventszeit auf den Rücken gesprungen und habe sich von ihm tragen lassen. Sei der Uberfallene ruhig und setze sich nicht zur Wehr, dann ließe das Ungeheuer bald von seinem Opfer ab; aber wenn er nur den geringsten Versuch mache, die unheimliche Last abzuschütteln, dann könne es gar leicht um sein Leben geschehen sein. Vor vielen Jahren weiite einmal ein Bursche aus Engeibach als Gast in einer Dexbacher Spinnstube. Die dortigen jungen Leute sahen aus verschiedenen Gründen seinen Besuch nicht gern und beschlossen, ihm einen Schabernack zu spielen, damit er das Wiederkommen vergesse. Man unterhielt sich mit allerhand Gespenstergeschichten und brachte endlich auch die Rede auf den Wegäckershund. Während etliche über solche Erzählungen lachten, beteuerte ein anderer hoch und heilig, durch seinen Großvater selbst — und der habe noch nie im Leben gelogen — von vielen Leuten gehört zu haben, die mit dem Höllenhund unliebsame Bekanntschaft gemacht hätten. Dabei warf man dem Dexbacher manchen höhnischen Blick zu, als dieser sich kurz vor zwölf Uhr erhob und verabschiedete. Wie er auf dem Heimwege dahin gelangt, wo die Wegäcker beginnen, wächst zu seinem Entsetzen eine dunkle Gestalt aus dem Graben empor und schwingt sich mit leichtem Satz auf seinen Rücken. Alle Haare auf dem Kopfe sträuben sich ihm vor Angst. Er läuft, so schnell er kann, schweißgebadet und mit klopfendem Herzen nach Dexbach hin, und als er an die ersten Häuser des Dorfes kommt, löst sich der Huckepack von seinem Nacken und verschwindet lautlos in den Wiesen. Totenbleich betrat er die Schwelle seines väterlichen Hauses und glaubte nicht anders, als daß ihn der Wegäckershund geritten habe. Die Dexbacher Burschen aber hätten‘s ihm sagen können, wer das Gespenst gewesen war.